Linna ist eine couragierte Frau, die sich nicht scheut, Normen zu brechen, um Frauen den Zugang zu Bildung und Sport und unter anderem zum Judo zu ermöglichen.  Bereits als Kind fand sie durch ein Projekt zum Aufbau von Mädchen- und Frauenjudo zu unserem Sport. Als Erwachsene studierte sie politische Wissenschaften und leitete den Judoclub bei SCAWNO, einer afghanischen Hilfsorganisation für Kinder und Frauen in Not – oft Überlebende von Terroranschlägen, Waisen, Straßenkinder und traumatisierte Menschen.

Seit Monaten und vor allem seit dem Vormarsch der Taliban hatte sie Hilferufe gesendet. Ganz besonders in Deutschland haben sich viele Judoka, aber auch die Politik um das Leben Linnas gesorgt und sich engagiert. Als die afghanische Regierung stürzte, wurde Linnas Leben komplett auf den Kopf gestellt. Weiterhin in Afghanistan zu bleiben, war angesichts ihres Engagements für die Emanzipation der Frauen und Mädchen, gleichbedeutend damit, ihr Leben in Gefahr zu bringen.

Dank der Judo-Community, die auf ihre verzweifelte und gefährliche Lage aufmerksam gemacht hatte, konnte eine Rettungsaktion initiiert werden.

Als Linnas Hilferuf in Bayern in Süddeutschland ankam, war die Solidarität groß und es wurde schnell und effektiv an einer Rettung der afghanischen Judoka gearbeitet. Die Internationale Judo-Föderation (IJF) und der Deutsche Judo-Bund (DJB) haben anschließend alles in die Wege geleitet, um die sichere Ausreise Linnas durch die deutschen Behörden zu gewährleisten.

Durch die Bemühungen der Internationalen Judo-Föderation (IJF), des Deutschen Judo-Bundes (DJB) und der tatkräftigen Unterstützung der deutschen Behörden ist die Ausreise geglückt.

Seit vergangenem Samstag ist sie nun in Deutschland, zunächst im brandenburgischen Erstaufnahmelager in Doberlug-Kirchhain. Dort besuchte sie im Auftrag des DJB-Vorstands Benno Golze, Trainer und Kampfrichter aus dem benachbarten Spremberg. „Es war ein sehr emotionaler Moment für uns Beide, als ich Linna getroffen habe“, sagt Benno Golze bewegt. Linna hatte wesentlichen Anteil an der Frauenbewegung in Afghanistan, war sehr aktiv und hat dort viel mitgestaltet. Die 28-Jährige war sehr, sehr herzlich – und vor allem dankbar. Aus Kabul kam sie ohne Gepäck, hatte sogar ihre Schuhe auf dem Flughafen verloren und trat die Reise nach Deutschland barfuß an. Entsprechend groß war ihre Freude, dass Benno Golze eine Menge warme Kleidung für sie im Gepäck hatte und ihr übergab. „Wenn du das Strahlen in ihren Augen siehst, da wurde mir ganz warm ums Herz“, sagte der sonst mit allen Wassern gewaschene engagierte Judoka. „Sie war überwältigt von so viel Herzlichkeit des Empfangs in Deutschland.“ Sie fragte Benno, warum er das mache und sich so engagiert. Seine Antwort berührte sie: „Judoka für Judoka – wir sind eine Familie, deshalb machen wir das!“

Der Judoverein mit seinem Vorsitzenden Dirk Meyer bot an, für Linna die Patenschaft zu übernehmen und sie gern im Verein integrieren. Sicher eine gute Voraussetzung, dass Linna ein neues und sicheres Leben in Deutschland beginnen kann. Auch andere Judo-Vereine in Deutschland solidarisieren sich mit Linna.

Tragischerweise wurde Linna bei der Flucht von Ihrem Mann getrennt, sodass die Helfer weiter am Ball bleiben, um die Familie vollständig nach Deutschland in Sicherheit zu bekommen – eine Familie, die in einigen Monaten auch Zuwachs bekommen wird.

DJB-Präsident Daniel Keller hat die Rettung von Linna von Anfang an unterstützt. „Es ist unsere gemeinsame Verantwortung auch abseits von der Sporthalle, die Judowerte zu leben. Ich bin daher dankbar und stolz, dass eine Vielzahl von deutschen Judoka sofort bereit war, der Judotrainerin Linna aus Afghanistan bei der Ausreise und der Ankunft in Deutschland zu helfen. Gemeinschaftlich hat der DJB mit der IJF die Ausreise unterstützt und wollen sie auch auf ihrem weiteren Weg begleiten.“

Er sagt ebenso wie DJB-Vorstandssprecher Frank Doetsch ein herzliches Dankeschön an alle, die sich an der Rettungsaktion beteiligt haben und die Ausreise von Linna unterstützt haben.

Artikel auf der IJF-Seite

Text: Birgit Arendt Deutscher Judobund

Foto: KSC ASAHI Spremberg